CSRD-Richtlinie: Warum fast alle Maschinen- und Anlagenbauunternehmen betroffen sind
15.07.2024 Look into the World of Processing Artikel

CSRD-Richtlinie: Warum fast alle Maschinen- und Anlagenbauunternehmen betroffen sind

Seit Anfang 2023 müssen fast 50.000 Unternehmen in der EU verstärkt über ihre Nachhaltigkeitsleistungen berichten. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet sie, relevante Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) offenzulegen. Viele Unternehmen unterschätzen jedoch die Reichweite dieser Richtlinie.

Eine Gruppe von Menschen diskutiert unter dem Schlagwort ESG an einem Tisch Nachhaltigkeitsthemen. Die CSRD-Richtlinie verschärft die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich. Nachhaltigkeitsinformationen sollen den von Unternehmen veröffentlichten Finanzinformationen gleichgestellt werden.

Nachhaltigkeit ist in. Nicht nur in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz, sondern auch im Hinblick auf soziale Aspekte und gute Unternehmensführung. „ESG“ nennen das die Insider – und das Thema hat Potenzial: Selbst an den sonst eher weniger wählerischen Wertpapierbörsen sind Finanzprodukte, die ESG-Kriterien erfüllen, längst ein Muss. Um Greenwashing zu verhindern und die Nachhaltigkeit von Unternehmen voranzubringen, hat die EU-Kommission im Januar 2023 die CSRD-Richtlinie verabschiedet, die im Juli 2024 zu nationalem Recht wird.

Als Weiterentwicklung der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) aus dem Jahr 2014 verschärft die CSRD-Richtlinie die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich. Das Ziel: Nachhaltigkeitsinformationen sollen den von Unternehmen veröffentlichten Finanzinformationen gleichgestellt werden.

Nachhaltigkeitsbericht und Lieferkettengesetz

In Deutschland wird die CSRD künftig auch durch das CSR-Lieferkettengesetz ergänzt, welches zusätzlich menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette regelt. Ein Aspekt sorgt dabei besonders für Aufregung: Die Richtlinie gilt für sehr viele Unternehmen. Darunter fallen solche mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Euro oder Firmen mit einer Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro. Aber auch kleinere Unternehmen können betroffen sein, wenn sie an eine große Unternehmensgruppe angeschlossen sind, die der Richtlinie unterliegt, oder wenn sie von großen Unternehmen als Lieferanten oder Kunden beauftragt werden. Vor allem letzteres trifft auf fast alle kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) des Maschinen- und Anlagenbaus zu. Und die Uhr tickt!

„Unternehmen von öffentlichem Interesse“, die mehr als 500 Menschen beschäftigen, müssen bereits für das Geschäftsjahr 2024 einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Ab 2025 sind alle großen Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften betroffen. Zusätzlich werden kapitalmarktorientierte KMUs ab 2026 berichten müssen.

Der Startpunkt für Unternehmen, die sich der Berichtspflicht neu stellen, ist die Analyse aus zwei Perspektiven: Zunächst beleuchten sie die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Menschen und Umwelt (Inside-Out), dann die Auswirkungen der Nachhaltigkeitsthemen auf die finanzielle Lage des Unternehmens (Outside-In). Unternehmen müssen ausführlich darlegen, wie ihre Tätigkeiten die Umwelt beeinflussen, einschließlich Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung sowie Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und Ökosysteme. Sie müssen auch ihre Ressourcennutzung offenlegen. Soziale Aspekte betreffen die Auswirkungen auf die eigene Belegschaft und auf außenstehende Menschen, einschließlich des gesellschaftlichen Umfelds und der Lieferkette. Dabei sollten auch Maßnahmen gegen negative Auswirkungen thematisiert werden. Der Governance-Aspekt des ESG-Reportings umfasst die Compliance-Struktur des Unternehmens und zeigt, wie Nachhaltigkeitsaspekte überwacht und in den Unternehmensalltag integriert werden.

Greenwashing kann Reputation beschädigen

Obwohl nicht alle Kennzahlen und Berichtsinhalte vorgeschrieben sind, warnen Experten vor einem leichtfertigen Reporting: Steht der Vorwurf von Greenwashing im Raum, kann das der Reputation eines Unternehmens empfindlichen Schaden zufügen. Und weil ESG-Kennzahlen zunehmend zur Grundlage von Finanzierungsentscheidungen werden, drohen ähnliche Strafen wie bei einer fehlerhaften Finanzberichterstattung. Auch bei CSRD werden solche Vergehen schnell persönlich geahndet – nicht nur das Unternehmen, sondern auch Geschäftsführung und Vorstand sind hier in der Pflicht. Auf der anderen Seite trägt ein ordentlicher Nachhaltigkeitsbericht dazu bei, Haftungsrisiken zu reduzieren.

Klar ist, dass der Zwang zum Nachhaltigkeitsbericht zu mehr Transparenz im Hinblick auf die Folgen unternehmerischen Handelns für die Umwelt, die Gesellschaft und die Unternehmensführung führen wird. Und weil alle betroffenen Unternehmen auf Vorlieferungen angewiesen sind, betrifft dies auch KMU: Deren Kunden werden Kennzahlen zu einzelnen oder allen ESG-Aspekten anfordern. Unternehmen, die zur CSRD-Berichterstattung verpflichtet sind, benötigen oft Informationen von kleineren Unternehmen, um ihre Berichte vollständig und genau zu erstellen. Dies betrifft vor allem Zulieferer und Partner in der Wertschöpfungskette. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die nicht direkt von der CSRD betroffen sind, können dennoch indirekt Anforderungen erfüllen müssen, um die Datennachfrage der berichtspflichtigen Unternehmen zu decken. Dies kann durch freiwillige Berichterstattung nach den ESRS für KMU oder durch spezifische vertragliche Vereinbarungen geschehen. So werden nach und nach ganze Lieferketten durchleuchtet. Es lohnt sich also, sich dieser Aufgabe zu stellen!

ESPR-Richtlinie und Digitaler Produktpass können helfen

Passend zu den Nachhaltigkeits-Berichtspflichten zeichnet sich für Hersteller von Maschinen und Anlagen eine weitere neue Regelung ab: Die künftige Ökodesign-Richtlinie der EU, die sogenannte ESPR-Richtlinie (Eco-design for Sustainable Products Regulation). Diese soll bereits 2026 in Kraft treten und geht deutlich weiter als die seit 2009 geltende EU-Ökodesign-Richtlinie. Stand bislang der Energiebedarf eines Produktes im Vordergrund, geht es nun um die nachhaltige Gestaltung von Produkten generell. Mit dieser soll das von der EU angestrebte Ziel der Klimaneutralität erreicht werden. Dazu gehört die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft sowie die Verbesserung von Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit von Produkten. Weil vom Hersteller bis zum Recycler viele Informationen über die Produktbeschaffenheit weitergegeben werden müssen, fordert die ESPR die Einführung eines digitalen Produktpasses – kurz DPP. Der DPP muss umfassende Informationen über die Lebensdauer von Produkten bieten, einschließlich der Zusammensetzung, Herkunft und Recyclebarkeit, sowie Daten über die verwendeten Materialien, Energieverbrauch und ökologischen Fußabdruck enthalten. Digitalisierung heißt hier das Mittel der Wahl – beispielsweise, indem ein QR-Code auf dem Produkt bzw. Typenschild zu Informationen in einer Datenbank oder gar einem digitalen Zwilling führt. Auf diese Weise werden sich künftig auch Informationen für Nachhaltigkeitsberichte automatisch auslesen lassen.

Bereits ab 2024 müssen Unternehmen, die unter die CSRD-Richtlinie fallen, relevante Daten erfassen. Spätestens jetzt ist es Zeit, Auslegungsfragen zu klären und Entscheidungen im Hinblick auf die Berichterstattung nachvollziehbar zu dokumentieren. Dabei sind nicht nur „Beauftragte“ gefragt, sondern Nachhaltigkeitsberichte sind – schon allein aufgrund der weitreichenden Haftungspflichten – klar Chefsache! Ein gutes Datenmanagement und die Klärung datenschutzrechtlicher Fragen sind ebenfalls wichtig, um Maßzahlen und KPI korrekt zu erheben und zu konsolidieren.

Fazit

Die Umsetzung der CSRD in nationales Recht stellt für Unternehmen in der Maschinen- und Anlagenbauindustrie sowie Betreiber von Anlagen in der Chemie-, Pharma- und Lebensmittelindustrie eine erhebliche Herausforderung dar. Gleichzeitig bietet sie die Möglichkeit, Nachhaltigkeitsstandards zu erhöhen und Transparenz in der Berichterstattung zu fördern. Unternehmen sollten sich frühzeitig auf die neuen Anforderungen vorbereiten, um die komplexen gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen und von den Vorteilen einer umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattung zu profitieren.

Autor

Armin Scheuermann

Armin Scheuermann

Chemieingenieur und freier Fachjournalist