Die NIS 2 Richtlinie: Neue Regeln für die Cybersecurity in der EU
Die Digitalisierung entwickelt sich rasant, und damit wächst auch die Bedeutung der Cybersecurity. Um dem gerecht zu werden, hat die Europäische Union die NIS 2 Richtlinie (Network and Information Systems Directive 2) eingeführt. Diese neue Richtlinie soll die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen in der EU verbessern und bringt insbesondere für Industrieunternehmen einige bedeutende Veränderungen mit sich. In diesem Artikel schauen wir uns die wichtigsten Inhalte der NIS 2 Richtlinie an und was das für Unternehmen in der Industrie bedeutet.
Will man die Bedrohungslage von Computernutzern in einer Zahl ausdrücken, dann ist die „Viertelmillion“ ein guter Anfang: So viel neue Schadprogramm-Varienten registrieren Sicherheitsexperten regelmäßig – nicht Jahr für Jahr, auch nicht Monat für Monat sondern tatsächlich inzwischen Tag für Tag. Über 200 Milliarden Euro Schaden ist Schätzungen des Digitalverbands Bitcom zufolge allein in Deutschland im vergangenen Jahr durch Diebstahl von IT-Ausrüstung und Daten sowie durch digitale und analoge Industriespionage entstanden. Tendenz steigend. Kein Wunder, dass sich Gesetzgeber auf der ganzen Welt längst zum Handeln gezwungen sehen.
In Europa ist die NIS-Richtlinie ein Meilenstein: Bereits die erste Fassung, die in 2016 als „Network and Information Security Directive“ verabschiedet wurde, hatte zum Ziel, ein hohes Maß an Sicherheit für Netz- und Informationssysteme in der Europäischen Union zu etablieren und die Grundlage für ein einheitlich hohes Sicherheitsniveau zu schaffen. Angesichts wachsender Cyber-Bedrohungen hat die EU-Kommission nun nachgelegt: Die im Januar 2024 verabschiedete NIS 2-Richtlinie erweitert den bestehenden Rechtsrahmen und bringt erhebliche Änderungen und erweiterte Pflichten für Unternehmen mit sich. Und diese werden bereits ab Oktober gelten.
Änderungen von NIS 1 zu NIS 2
Eine der größten Neuerungen der NIS 2 Richtlinie ist ihr erweiterter Anwendungsbereich. Während die ursprüngliche NIS Richtlinie hauptsächlich Betreiber kritischer Infrastrukturen betraf, nimmt NIS 2 nun eine breitere Palette von Unternehmen in die Pflicht. Auch viele mittelständische Unternehmen in der Industrie, die vorher nicht reguliert waren, müssen jetzt robuste Cybersecurity-Maßnahmen umsetzen. Das bedeutet: Mehr Unternehmen als je zuvor müssen sich jetzt intensiv mit Cybersecurity beschäftigen. Jetzt sind insgesamt 18 Sektoren betroffen, die in „wesentliche“ und „wichtige“ Kategorien unterteilt sind. Damit wird der Kreis der betroffenen Unternehmen erheblich vergrößert. Experten schätzen, dass allein in Deutschland etwa 40.000 zusätzliche Unternehmen von den neuen Regelungen betroffen sein werden.
Unter der neuen NIS 2-Richtlinie sind Unternehmen verpflichtet, eine Vielzahl von Maßnahmen zur Cyber-Security umzusetzen. Dazu gehört die Entwicklung eines umfassenden Risikomanagement-Konzepts sowie die Einführung von Notfallplänen. Unternehmen müssen zudem Systeme zur schnellen Meldung von Sicherheitsvorfällen an die zuständigen Aufsichtsbehörden etablieren.
Strengere Sicherheitsanforderungen und Meldepflichten
NIS 2 verschärft die Sicherheitsanforderungen erheblich. Unternehmen müssen nicht nur technische Maßnahmen wie Firewalls und Intrusion-Detection-Systeme einsetzen, sondern auch organisatorische Maßnahmen ergreifen. Dazu zählen regelmäßige Risikobewertungen, Schulungen für Mitarbeiter und ein umfassendes Incident-Management. Ziel ist es, dass die gesamten IT-Systeme und -Prozesse gegen eine Vielzahl von Bedrohungen abgesichert sind.
Eine weitere wichtige Änderung ist die Erweiterung der Meldepflichten. Unternehmen müssen schwere Sicherheitsvorfälle innerhalb von 24 Stunden an die zuständigen nationalen Behörden melden. Diese erste Meldung muss eine vorläufige Bewertung des Vorfalls enthalten, gefolgt von einer detaillierten Analyse innerhalb von 72 Stunden. Die Richtlinie fördert zudem die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Behörden, um die Reaktion auf Cyberangriffe zu verbessern und den Austausch von Bedrohungsinformationen zu erleichtern.
Drakonische Strafen und Sanktionen
Die NIS 2 Richtlinie sieht auch strengere Sanktionen vor. Unternehmen, die ihre Sicherheitsanforderungen nicht erfüllen oder meldepflichtige Vorfälle nicht anzeigen, können mit empfindlichen Geldstrafen belegt werden. Zu den Maßnahmen gehöhren Vor-Ort-Kontrollen bis hin zur Möglichkeit, die Geschäftsleitung bei Verstößen von ihren Aufgaben zu entbinden. Zudem können Aufsichtsbehörden künftig bei Verstößen Bußgelder bis zu 10 Mio. Euro oder 2 Prozent des Umsatzes zu verhängen. In Deutschland sieht das Umsetzungsgesetz zu NIS 2 de facto vor, dass verantwortliche Manager bei Verstößen sogar mit ihrem Privatvermögen haften.
Die Umsetzung der NIS 2 Richtlinie wird für viele Industrieunternehmen mit erheblichen Kosten verbunden sein. Notwendige Investitionen in IT-Sicherheitstechnologien, Mitarbeiterschulungen und die Einrichtung neuer Prozesse und Systeme können eine finanzielle Belastung darstellen. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen können diese Kosten eine Herausforderung sein.
Höhere Cybersecurity-Resilienz
Auf der positiven Seite wird die NIS 2 Richtlinie die Cybersecurity-Resilienz von Industrieunternehmen erheblich verbessern. Durch strengere Sicherheitsmaßnahmen sind Unternehmen besser gegen Cyberangriffe geschützt. Dies kann langfristig nicht nur wirtschaftliche Schäden verhindern, sondern auch das Vertrauen von Kunden und Geschäftspartnern stärken.
Unternehmen, die die Anforderungen der NIS 2 Richtlinie erfolgreich umsetzen, können ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. Eine starke Cybersecurity-Strategie wird zunehmend zu einem wichtigen Unterscheidungsmerkmal auf dem Markt. Kunden und Geschäftspartner bevorzugen Unternehmen, die hohe Sicherheitsstandards einhalten und somit das Risiko für Geschäftsausfälle und Datenverluste minimieren
Herausforderungen bei der Umsetzung
Trotz der Vorteile bringt die Umsetzung der NIS 2 Richtlinie viele Herausforderungen mit sich. Der Mangel an qualifizierten Fachkräften im Bereich Cybersecurity ist ein weit verbreitetes Problem. Unternehmen müssen ihre bestehenden IT-Systeme und -Prozesse überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Dies erfordert nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Zeit und Ressourcen.
Fazit: Die NIS 2 Richtlinie der EU ist ein bedeutender Schritt zur Verbesserung der Cybersecurity in Europa. Für Industrieunternehmen bringt sie sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Obwohl die Umsetzung der neuen Anforderungen mit Kosten und Aufwand verbunden ist, bietet sie zugleich die Möglichkeit, die eigene Cybersecurity-Resilienz zu stärken und sich als sicherer und vertrauenswürdiger Partner zu positionieren. Langfristig wird die NIS 2 Richtlinie dazu beitragen, die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen zu erhöhen und die digitale Zukunft der europäischen Industrie zu sichern.
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