Farbstoffmarkt: Nachhaltig gegen die Flaute
09.02.2025 Chemie Artikel

Farbstoffmarkt: Nachhaltig gegen die Flaute

Gemalert wird immer, möchte man meinen. Doch der Markt für Farben und Lacke entwickelt sich je nach Region und Anwendung unterschiedlich. In Asien, Afrika und Amerika geht es aufwärts. Herrscht jedoch Flaute im Auto-Markt oder im Bau, leidet die Branche – wie in Europa. Mit nachhaltigen Innovationen halten unter anderem BASF, Akzo Nobel und Eckart/Altana dagegen.

Luftbild von neun quadratischen großen Behältern mit rotem Pigment. Zwei Personen mit gelbem Helm und roten Handschuhen befinden sich mit Werkzeug an mittleren Behälter. In Europa – wie hier bei Lanxess in Leverkusen – werden hochwertige innovative Farbstoffe produziert. Doch hohe Energiekosten und strenge Umweltauflagen setzen die Branche unter Druck.

Schon 2023 war kein gutes Jahr für die Hersteller von Farben, Lacken und Druckfarben in Deutschland. 1,47 Millionen Tonnen wurden laut Branchenverband VdL hierzulande verkauft. Im Jahr 2021 waren es noch 1,585 Millionen Tonnen Lacke, Farben und Druckfarben und auch das entsprach einem Rückgang von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2024 wird wohl nochmals schlechter abschließen. Prognostiziert ist ein weiterer Rückgang um zwei Prozent. Noch bedenklicher stimmt der deutliche Rückgang der Exporte 2023: um -11,2 Prozent auf nur noch 774.000 Tonnen. Dabei sehen vor allem die Teilmärkte für Druckfarben, Bauten und Möbel/Holz schlecht aus. Noch überraschend gut entwickelte sich 2023 mit +18 Prozent der Bereich Autoserie, für 2024 rechnet der Branchenverband VdL jedoch nur noch mit fünf Prozent Wachstum. Angesichts der allgemeinen schlechten konjunkturellen Aussichten in Deutschland, aber auch China, und den Unwägbarkeiten des amerikanischen Markts hat die Farbenbranche wenig Grund zu Optimismus.

Mittelfristig moderates Wachstum in Europa

Da gilt es, den Horizont auszuweiten. Laut einer Marktstudie von Ceresana soll der europäische Markt für Farben, Lacke und Pigmente in den kommenden Jahren bis 2032 tatsächlich moderat wachsen, um durchschnittlich 1,2 Prozent jährlich. In Europa gewännen demnach vor allem wasser- und biobasierte Anstrichmittel an Bedeutung, die häufig in die Bauindustrie gehen. Acrylfarben sollen das stärkste Wachstum verzeichnen.

Das größte Wachstum wird aber in den Regionen Asien-Pazifik und Afrika verzeichnet. Die weltweite Nachfrage nach Pigmenten werde voraussichtlich bis 2032 auf rund 14,5 Millionen Tonnen pro Jahr steigen, so die Marktforscher, wobei der Hauptabnehmer die Bauindustrie sei. Das zweitgrößte Einsatzgebiet für Pigmente sind Kunststoffe, etwa für Verpackungen, aber auch Konsumgüter und Bauteile für die Fahrzeugindustrie.

Effektfarben generieren Wachstum in Asien

Trotz der mittelfristig voraussichtlich positiven Entwicklung in Übersee: Die Branche steht vor großen Herausforderungen. Kurz vor der European Coating Show 2025 (5. – 27. März) schwören sich die Teilnehmer auf Innovation, Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit ein. Dr. Mark Stoll, Global Head of Marketing Strategy bei Pigmenthersteller Eckart, unterstreicht in der ECS-Preview die Bedeutung der Dekarbonisierung von Produktionsprozessen. Er rechnet zwar nicht mit Marktwachstum in naher Zukunft, sagt jedoch: „Es gibt mindestens zwei starke langfristige Wachstumstreiber über einen Zeitraum von fünf Jahren. Diese sind die Erholung in der Automobilproduktion, was zu einer erhöhten Nachfrage führen wird, und der Trend zu mehr Effektfarben.“ Letzteres sei vor allem Treiber für den Markt in Asien.

Nachhaltige innovative Produkte, modernisierte Prozesse

Regulatorische Anforderungen und damit eine wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Produkten bieten innovativen Pigmentherstellern neue Chancen. Eckart entspricht dem beispielsweise mit einem Portfolio auf Basis von Sekundäraluminium, kompostierbaren Effektpigmenten und Druckfarben sowie mineralölfreien Metallic-Druckfarben. Bei Fahrzeugserienlacken punktet BASF Coatings mit einem Einschichtlack, der einen perlmuttartigen Effekt ohne Verwendung herkömmlicher Effektpigmente zeigt und zudem die Material- und Energiezufuhr im Herstellungsprozess reduziert. Sun Chemicals bedient die Textil- und Bekleidungsindustrie mit öko-tex-zertifizierten Farbpigmenten für Textilfarben. AkzoNobel Powder Coatings stellte kürzlich eine neue Farbpalette vor, die keine Lösungsmittel oder flüchtige organische Verbindungen emittiert.

Viele Hersteller modernisieren zudem die Produktionsprozesse und deren Energieversorgung. So produziert Lanxess gelbes Eisenoxid in Brasilien nahezu klimaneutral mithilfe erneuerbarer Energien. Und Akzo Nobel entspricht mit einer wasserstoffbetriebenen Spritzkabine in einem Schulungszentrum in Belgien dem Trend zu einem sauberen Spritzvorgang mit reduzierten CO2-Emissionen.

Eine futuristisch wirkende, cremefarbene Karosserie eines kleinen Autos, an dem nur das Vorderrad zu sehen ist. Ein Einschichtlack, der alle Funktionen in einer Schicht vereint und ohne Effektpigmente perlmuttartig wirkt, gehört zu den aktuellen Innovationen deutscher Hersteller.

Bei aller Innovationskraft: Die Hersteller müssen auf die sinkende Attraktivität der europäischen Märkte reagieren – und tun das auch. Etwa indem sie Produktionsstätten verlagern oder neue Produktionsstätten in wachsenden Märkten wie Asien errichten. Aktuelles Beispiel: Das ostwestfälische Unternehmen Peter Lacke kündigte im Januar 2025 den Bau einer neuen Produktionsstätte im südchinesischen Huizhou an. Es reagiert damit auf den dortigen wachsenden Markt für Elektrofahrzeuge.

Gleichzeitig werden europäische Standorte umstrukturiert, so etwa bei Akzo Nobel. Ebenfalls im Januar 2025 gab das Unternehmen bekannt, dass es in seinen französischen Standort Montataire 22 Mio. Euro investieren wird. Er soll „Vorzeigestandort“ für die Produktion von Bautenfarben werden. Dafür werden Betriebsabläufe rationalisiert und optimiert, was mit einem Abbau von bis zu 211 Stellen bis Ende 2026 verbunden sein wird. Bereits 2024 hatte das Unternehmen bekannt gegeben, dass es Produktionsstandorte in den Niederlanden, in Irland und Sambia schließen wird.

Größere Akzeptanz für Masterbatches

Positiver als bei den „puren“ Pigmenten ist die Marktentwicklung bei Masterbatches, die ebenfalls zum Farbenmarkt gehören. Masterbatches sind konzentrierte Granulate, bestehend aus Pigmenten, Additiven und/oder Füllstoffen, eingebettet in einen Träger-Kunststoff. Sie lassen sich besser als Pulverpigmente oder Flüssigfarbstoffe dosieren und werden zur Einfärbung von Kunststoffen bevorzugt verwendet. Der europäische Markt konnte in den vergangenen drei Jahren ein moderates Wachstum verzeichnen. 2023 wurde er auf 4,20 Milliarden US-Dollar geschätzt. Bis 2029 soll er auf 5,63 Milliarden US-Dollar anwachsen. Das entspräche einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von ca. 5 %. Auch hier findet sich eine Abhängigkeit der Abnehmerbranchen wie Verpackung, Automobil oder Bauwesen.

Ein blau lackiertes Bauteil befindet sich noch halb in einem Bad mit glänzend blauer, flüssiger Beschichtung. Beschichtungen sorgen nicht nur für Farbigkeit, sie schützen oft auch vor Umwelteinflüssen. Hier wird ein metallenes Bauteil mit einer Tauchlackierung versehen.

Fazit: Wechselhafte Aussichten

Die Wachstumsaussichten für Farben und Beschichtungen in Deutschland und Europa bleiben verhalten. Keine Erholung ist bei Druckfarben in Sicht, denn vor allem der Publikationsdruck schrumpft weiterhin stark. Baukrisen wie derzeit in Deutschland beeinflussen den Markt zusätzlich negativ. Es gibt jedoch auch positive Entwicklungen: In einigen Ländern, darunter Deutschland, steigt die Nachfrage für Korrosionsschutz aus dem meist staatlich finanzierten Straßen- und Brückenbau sowie bei der geförderten Errichtung von On- und Offshore-Windkraftanlagen. Der Markt für Masterbatches entwickelt sich ebenfalls positiv.

Im internationalen Markt sieht es etwas besser aus. Doch der Wettbewerb ist hart. Hatte die Branche bis vor kurzem noch auf die USA als wachsenden Absatzmarkt gesetzt, drohen dort nun umfangreiche Zollerhöhungen. Diese treffen die Farb- und Pigmenthersteller nicht nur direkt, sondern auch deren große Abnehmer. Für Europas Export wuchs zuletzt auch die Bedeutung des chinesischen Marktes. Allerdings machen hohe Energiekosten und strenge Umweltauflagen den europäischen Herstellern zu schaffen. Asiatische Hersteller bieten oft preisgünstigere Alternativen. Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Hersteller muss weiterhin durch Technologieführerschaft, etwa für hochwertige Industrielacke und Pulverbeschichtungen, sowie durch Innovationen, z. B. nachhaltige lösungsmittelfreie, wasserbasierte Lösungen gesichert werden.

Autor

Ulla Reutner

Dr. Ulla Reutner

Chemikerin und freie Fachjournalistin