Innovative Ideen für effizientes Kunststoffrecycling
01.12.2024 Produzieren Artikel

Innovative Ideen für effizientes Kunststoffrecycling

Kaum ein Rohstoff ist so komplex wie Sekundärmaterial fürs Recycling. Schließlich können Abnehmer nie ganz sicher sein, wie sich die Stoffströme zusammensetzen. Kunststoffrecycling hat zudem immer noch Probleme mit schwankender Nachfrage. Um gegen Virgin Material anzukommen, ist deshalb maximale Effizienz gefragt. Ein Überblick über neue Impulse für die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen.

Verschiedene gebrauchte Verpackungen aus HDPE Mit neuen Technologien ist es möglich, automatisiert zu erkennen, ob Verpackungen wie Flaschen aus HDPE während der Nutzungsphase Lebensmittelkontakt hatten.

Nicht mehr benötigte Kunststoffe gehen ins Recycling – das sollte eigentlich jedem klar sein. Leider führt die Erfassung von ausgedienten Produkten und Verpackungen aus Plastik aber noch lange nicht, dass daraus Sekundärmaterial entsteht. Dafür gibt es viele Gründe. Besonders die sortenreine Trennung nach Kunststoffsorten bereitet der Recyclingindustrie immer noch große Probleme.

Maschinen- und Anlagenbauer arbeiten deshalb kontinuierlich daran, Hemmschuhe zu beseitigen. Neue Technologien ermöglichen es etwa, Verpackungen zu identifizieren, die mit Lebensmitteln in Kontakt standen, schwarze Kunststoffe sortenrein zu sortieren oder die allgemeine Prozesseffizienz immer weiter zu erhöhen. Für die Wettbewerbsfähigkeit von Sekundärkunststoffen ist das besonders wichtig, da Recyclingmaterial immer mit Neuware, dem sogenannten Virgin Material, konkurriert. In diesem Jahr haben mehrere Anbieter Innovationen für die Verbesserung des Kunststoffrecyclings vorgestellt.

Mehr Leistung und Effizienz beim Extrudieren und Compoundieren

Kunststoffrecycling als Wachstumsmarkt: Coperion hat jahrzehntelange Erfahrung mit der Produktion von Kunststoffen, dabei aber lange ausschließlich auf die Herstellung von Neuware gesetzt. Dem Einstieg in die Ausrüstung für Hersteller von Sekundärmaterial kommt das gesammelt Prozesswissen zugute. Ob Extrudieren und Compoundieren, Granulieren oder Zuführen – viele Verarbeitungsschritte in der Aufbereitung von Altkunststoffen gleichen der Produktion von Neuware. In den Mittelpunkt des Angebots für Recycler stellt der Anbieter seine Extrusionstechnologie mit Doppelschneckenextruder. Im Vergleich zu Konstruktionen mit einfacher Schnecke sind demnach das Drehmoment und der Durchsatz höher. Hohe Energieeffizienz steigere zudem die Effizienz des Gesamtprozesses.

Der Fokus auf Recyclingprozesse führt zudem nicht nur zu Anpassungen und Optimierungen, sondern auch zu Neuentwicklungen. Ein Filtrationscompounder ermöglicht das Filtrieren und Compoundieren in einem Produktionsschritt. Die integrierte Arbeitsweise befreit die Schmelze von Kontaminationen, anschließend kann sie mit Verstärkungs- oder Füllstoffen compoundiert werden. Neben einem schlankeren Anlagenaufbau soll so auch bei dieser Maschine der Energieverbrauch deutlich sinken, während die Qualität der Compounds steigt.

Innenansicht eines Technikums mit einer mehrstöckigen Anlage für die Aufbereitung von Kunststoffabfällen Im November 2024 hat Coperion ein neues Technikum eröffnet, das ganz auf die Aufbereitung von Kunststoffabfällen ausgerichtet ist.

Im November 2024 hat Coperion auch durch einen Neubau gezeigt, dass dem Recycling von Kunststoffen ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Am Unternehmensstandort in Weingarten hat der Hersteller mit dem „Recycling Innovation Center“ ein neues Technikum eröffnet. Ganz auf die Verfahren des Kunststoffrecyclings ausgerichtet, können Kunden ihre Stoffströme durch alle nötigen Prozessschritte schicken und die Anlagen auf Herz und Nieren testen.

Kunststoffe mit Lebensmittelkontakt sicher erkennen

Bevor Altkunststoffe aufbereitet und zu Sekundärmaterial verarbeitet werden können, müssen sie sortiert werden. Je sortenreiner der Stoffstrom, desto höherwertig wird schließlich das finale Produkt. Gerade in gemischten Sammlungen befinden sich zudem häufig Störstoffe. Tomra versteht sich seit langer Zeit auf die Sortierung unterschiedlichster Stoffströme – neben Lösungen für die Lebensmittelindustrie, den Bergbau oder die Textilwirtschaft auch fürs Recycling.

Mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) adressiert der Hersteller jetzt eine Sortieranforderung, die besonders schwierig zu erfüllen ist: Die Unterscheidung zwischen Altkunststoffen mit und ohne Lebensmittelkontakt. Für die Verarbeitung ist das entscheidend, denn Hygienebedenken und strenge Vorschriften machen die Behandlung von Lebensmittelabfällen beim Recycling zu einer großen Herausforderung. Gain Next ist die Technologie, die das ändern soll. Sie setzt auf die Autosort-Sortiersysteme von Tomra auf und besteht aus optischen Abfallsensoren, die traditionelle Nahinfrarot- (NIR), visuelle Spektrometrie- und andere Sensoren ergänzen.

Der Anbieter nennt Reinheitsgrade von über 95 Prozent bei Verpackungsanwendungen in Anlagen verschiedener Kunden – und stellt den Recyclern neue Einnahmequellen in Aussicht, wenn sie durch den Einsatz der fortgeschrittenen Sortiertechnik mehr Stoffströme verarbeiten und vermarkten können als bisher.

Ein Mann bedient einen Laptop, der grafische Verläufe von Betriebsdaten einer Sortieranlage für Kunststoffrecycling anzeigt Gesammelte Betriebsdaten bieten die Basis für die Auswertung und Optimierung des Anlagenbetriebs.

Schwarze Kunststofffraktionen eindeutig identifizieren

Ebenfalls ein bekannter Anbieter von Sortiertechnik ist Steinert. Das Unternehmen ist mit Systemen für Metalle groß geworden, bietet aber auch Lösungen für das Glasrecycling oder die Bergbaubranche an. Für Kunststoffabfälle wie aus den dualen Systemen entwickelt Steinert besonders ausgefeilte Maschinen. Die neue Anlage Unisort Finealyse+ kombiniert NIR- und Hyperspectral Imaging (HSI), um sowohl eine besonders hohe räumliche als auch spektrale Auflösung zu bieten. Das kommt laut Anbieter besonders der Sortierung von Kunststoffflakes zugute.

In der Vergangenheit hat Steinert schon einmal eine Herausforderung gelöst, die Kunststoffrecyclern lange Kopfzerbrechen bereitet hat: die Erkennung von schwarzen Kunststoffen. Denn ein Nachteil der NIR-Sortierung besteht darin, dass mit Carbon Black (Industrieruß) gefärbter Kunststoff nicht genug Infrarotlicht zurückwirft, um eine Erkennung zu ermöglichen. Die Technologie wird in Anlagen der Reihen Unisort Black und Unisort Blackeye eingesetzt und hilft Anwendern, dass mehr Material erkannt und entsprechend zu einem zweiten Leben verholfen werden kann.

Prozessintelligenz für mehr Flexibilität, Leistung und Effizienz

Netzsch kennen Anwender aus der Industrie für Pumpen, Zerkleinerungssysteme und Mühlen. Mit Sens Xpert hat das Unternehmen 2022 seine Kompetenzen um Prozessintelligenz erweitert, von der verarbeitende Betriebe in der Kunststoffindustrie profitieren sollen. Dafür kombiniert die Unternehmenstochter Echtzeit-Materialdaten aus Werkzeugen mit moderner Software für maschinelles Lernen zur Analyse des Materialverhaltens.

Um bis zu 30 Prozent lasse sich die Produktionseffizienz so erhöhen, heißt es – etwa durch die schnelle Erkennung von Abweichungen bei Material- und Prozessparametern, wodurch frühzeitige Anpassungen möglich sind und Ausschuss vermieden werden kann.

Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe

Kunststoffrecycling ist keine Ausnahme mehr, sondern längst etablierte Praxis, die enorme Mengen an Material im Kreislauf hält und so die Umwelt- und Klimaauswirkungen von Kunststoffen reduziert. Bis die Abkehr vom linearen Wirtschaften weltweit und für alle Stoffströme Realität wird, ist jedoch noch viel zu tun. Technologieanbieter, die die Effizienz und das Leistungsspektrum von Lösungen für die Sortierung und Verarbeitung von Altkunststoffen erhöhen und erweitern, tragen einen wichtigen Teil dazu bei, dass dieser Weg weiterverfolgt werden kann.

Autor

Marius Schaub

Marius Schaub