Wachsende Unsicherheiten bremsen Europas Batteriepläne
11.08.2024 Nachhaltigkeit & CO2-Neutralität Artikel

Wachsende Unsicherheiten bremsen Europas Batteriepläne

Sinkende Zulassungszahlen für Elektrofahrzeuge werden für Batterie-Pioniere in der Automobilindustrie zur Herausforderung. Viele Projekte stehen auf der Kippe. Die Gründe dafür sind vielfältig. Und die Entwicklungen werfen die Frage auf, ob Europa künftig eine führende Rolle in der globalen Batterieproduktion einnehmen kann.

Lithium-Ionen-Batteriekomponente für Elektrofahrzeuge Einige der angekündigten Batterieprojekte in Europa stehen auf der Kippe.

Elektromobilität ist ein Milliardenmarkt - auch für den Anlagenbau: Allein zwischen 2021 und 2023 sind in Europa Elektroauto- und Batterieprojekte im Wert von über 26 Milliarden Euro angekündigt. Für die Batteriefertigung - das Herzstück von Elektroautos - waren zuletzt Kapazitäten von 1,7 Terawattstunden geplant - genug, um rund 25 Millionen Autos damit auszustatten. Allein in Deutschland sollen - so die Ankündigungen - 13,5 Milliarden Euro investiert werden. In Großbritannien könnte es sogar doppelt so viel sein. 

Doch die Euphorie hat einen Dämpfer erhalten. Denn sinkende Zulassungszahlen für Elektroautos drücken auf die Investitionsstimmung der Autokonzerne und Batteriehersteller. Bereits im Sommer 2023 stellte der Branchenmarktforscher T&E fest, dass 68 Prozent des angekündigten Projektvolumens für neue Zellfertigungen auf der Kippe stehen. Der Grund: Die Wirtschaftlichkeit der Projekte wird angesichts großzügiger Subventionen in den USA und wachsender Kapazitäten und Dumpingpreise in China zunehmend angezweifelt. Zuletzt schickte der staatliche Fördertopf für Elektroautos in Deutschland die Nachfrage auf Europas größtem Automarkt auf Talfahrt. Und auch die inflationsbedingt gestiegenen Finanzierungskosten drücken auf die Investitionsbereitschaft der Batterie- und Automobilhersteller.

Großzügige Förderung in Nordamerika

Doch die Gründe für die Planänderungen sind vielschichtig. Anfang Juli kündigte der schwedische Batteriezellenhersteller Northvolt an, seine Expansionspläne zu überdenken. Während eine Fabrik in Kanada aufgrund der dortigen großzügigen Förderung nicht in Frage kommt, scheint der Ausbau in Europa weniger klar. Denn der Northvolt-Großkunde BMW hat einen Milliardenauftrag storniert, weil der schwedische Hersteller offenbar aus Qualitätsgründen nicht die vereinbarten Mengen liefern kann. Dass damit der im März öffentlich und politisch groß gefeierte Baubeginn eines weiteren Northvolt-Projekts im niedersächsischen Heide in Frage gestellt sei, dementiert das schwedische Unternehmen.

Im Juni 2024 hatten Mercedes und Stellantis die Arbeiten an ihrer gemeinsamen Batteriefabrik gestoppt. Das Joint Venture mit dem Namen „Automotive Cells Company" (ACC) hatte noch Anfang des Jahres Investitionen in Höhe von 7,6 Milliarden Euro angekündigt. Während ACC im französischen Douvrin bereits produziert, liegen die Pläne für Gigafactories in Kaiserslautern (Deutschland) und Termoli (Italien) nun auf Eis. Die Gründe: Die zuletzt schwache Nachfrage nach Elektroautos und die Hoffnung auf neue Batteriezelltechnologien. Der chinesische Batteriehersteller Svolt hatte zuvor angekündigt, eine geplante Zellfabrik in der Lausitz nicht zu bauen. Auch das Svolt-Projekt im saarländischen Überherrn steht auf der Kippe. Auch hier spielt die sinkende Nachfrage eine wichtige Rolle bei der Entscheidung.

Anders Tesla: Der US-Autobauer hatte sich bereits vor einem Jahr von einer Batterie-Gigafactory in Grünheide (Deutschland) verabschiedet. Steuervergünstigungen locken den Elektroauto-Pionier in den US-Bundesstaat Nevada. Insgesamt rückt das europäische Ziel, künftig eine führende Rolle in der globalen Batterieproduktion zu spielen, trotz ehrgeiziger Zero-Emission-Ziele bis 2035 in immer weitere Ferne. Derzeit seien 37 Prozent der weltweiten Investitionen in Elektromobilität in den USA angekündigt, aber nur 26 Prozent in Europa, schätzt der Branchendienst T&E.

Typische Wachstumsschmerzen einer jungen Industrie

Es sind die typischen Wachstumsschmerzen einer jungen Branche, die sich mit schwankenden Nachfrageerwartungen deutlich verstärken. Denn die Batterietechnologie ist immer wieder starken Entwicklungsschüben unterworfen - und so kann eine neue Technologie Investitionen in schnell veraltende Produkte und Herstellungsverfahren ebenso unrentabel machen wie sinkende Preise bei nachlassender Nachfrage. Neben Lithium-Ionen-Batterien setzen sich in jüngster Zeit zunehmend die preisgünstigeren Lithium-Eisenphosphat-Batterien durch. Daneben wird vor allem in China die Entwicklung von Natrium-Ionen-Batterien vorangetrieben und die Branchenriesen Toyota und VW setzen große Hoffnungen in Festkörperbatterien, die vor allem Vorteile bei Energiedichte, Sicherheit und Lebensdauer bieten. 

Gleichzeitig sieht sich die noch junge Batterieindustrie einem immer stärkeren Konkurrenzdruck aus China und Nordamerika ausgesetzt. Und schließlich sorgen Spekulationen aus der Politik, das von der EU beschlossene Verkaufsverbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 wieder rückgängig zu machen, für zusätzliche Unsicherheit in Europa. 

Die Transformation der Mobilität weg vom Verbrennungsmotor - darin sind sich die meisten Mobilitätsexperten einig - wird dadurch nicht aufgehalten, sondern nur verzögert. Ob Kapazitäten für 25 oder 5 Millionen Elektrofahrzeuge pro Jahr - Anlagenbauer und Ausrüster von Batteriefabriken werden in den nächsten Jahren viel zu tun haben. Und die chemische und mechanische Verfahrenstechnik wird dabei eine Schlüsselrolle spielen!

Autor

Armin Scheuermann

Armin Scheuermann

Chemieingenieur und freier Fachjournalist