Veggie-Produktions-Know-how vom Maschinenbauer
08.03.2024 Produzieren Artikel

Veggie-Produktions-Know-how vom Maschinenbauer

Der Markt für Food-Alternativen auf Basis von pflanzlichen Proteinen wächst rasant. Davon profitieren nicht nur New-Food-Pioniere und etablierte Lebensmittelhersteller. Auch ihre Technik-Lieferanten können sich Marktanteile sichern: mit geeigneten Produktionslinien im Feld der Proteinisolierung und -verschiebung, für die Texturierung und Extrudierung. Mit Test- und Applikationszentren unterstützen sie ihre Kunden, nicht selten von der Laborentwicklung bis zur hochskalierten Prozessanlage. Daraus resultieren Investitionsentscheidungen, die kein New-Food-Produzent bereuen wird. Aber nicht vergessen: Am Ende muss es schmecken.

Eine Frau in Schutzkleidung an einer Bühler Maschine Im neuen Protein Application Center der Schweizer Bühler Group unterstützt die wissenschaftliche Leiterin Katarina Slettengren Kunden bei der Entwicklung von Proteinisolierungsprozessen.

Im „Veganuary“ 2024 war es nicht zu übersehen: Immer mehr vegane Fleisch-, Fisch- und Milchprodukt-Alternativen auf Basis von pflanzlichen Proteinen drängen auf den Markt. Supermarktketten und Discounter unterbieten sich mit Lockpreisen. Meatless Monday und Veggie Thursday sollen für Regelmäßigkeit in der Ernährungsumstellung sorgen. Und tatsächlich: Nicht nur überzeugte Veganer, auch gesundheits- und umweltbewusste Menschen, die sonst tierischen Produkten nicht abgeneigt sind, greifen zu.

Treiber für starkes Marktwachstum pflanzlicher Proteine

Bis 2031 soll der Markt für pflanzliche Proteine ein Volumen von 26,45 Mrd. US-Dollar erreichen, so die im Februar 2024 erschienene Marktstudie „Global Plant-based Protein Market 2024“ von Meticulous Market Research. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 8,4 Prozent. Zu den Treibern zählt neben ethischen Motiven (Tierschutz, Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit/Welternährung) der allgemeine Trend zu proteinreicher Ernährung. Von Soja und Weizen über Erbsen, Raps, Mais und Reis bis hin zu Bohnen und Lupinen reichen die pflanzlichen Proteinquellen.

Den New-Food-Startups folgen etablierte Nahrungsmittelproduzenten

Relativ junge Unternehmen wie Like Meat gelten als Pioniere für vegane Fleischalternativen. Angesichts der hohen Wachstumsraten wurden und werden nun immer mehr etablierte Nahrungsmittelhersteller ebenfalls in diesem Markt aktiv. Neben bislang auf Fleisch-, Wurst- oder Milchprodukte fokussierten Unternehmen wie Rügenwalder Mühle, Alnatura, Iglo, Friesland Campina (Valess), Nestlé (Garden Gourmet) und Kerry Group gehören auch Stärkeproduzenten wie Crespel & Deiters zu den Gewinnern in Europa. Breit aufgestellte Unternehmen wie Roquettes und Beneo (Südzucker) versorgen neben der Getränke- und Lebensmittelbranche auch die Pharma- und Kosmetikindustrie mit pflanzlichen Proteinen. Der Boom zieht immer neue Startups an – und überzeugt schließlich sogar „eingefleischte“ Anbieter tierischer Produkte wie Tönnies, in den Veggie-Markt zu investieren.

Maschinenbauer liefern Technik und Know-how für die Proteinverschiebung

Die guten Wachstumsaussichten bringt die Technik-Anbieter auf den Plan. Sie sind besonders gefordert, ihr Know-how einzubringen, – neben der geeigneten Verfahrenstechnik. Ist doch der junge, boomende Markt mit zahlreichen neuen Produktentwicklungen verbunden – und das nicht selten in Unternehmen mit wenig oder gar keinem verfahrenstechnischen Know-how für pflanzliche Nahrungsmittel. Sie benötigen fundierte Unterstützung bei der Verfahrensentwicklung. Und zahlreiche Maschinenbauer leisten dies.

Multiprozessanlage von Hosokawa Alpine Der französische F&E-Dienstleisters Improve nutzt die Multiprozessanlage von Hosokawa Alpine zu Versuchen innerhalb der kompletten Verarbeitungskette pflanzlicher Proteine.

Hülsenfruchtmehle im Allrounder für Vermahlung und Trennung

Viele Wege führen zum Ziel. So arbeitet etwa Hosokawa Alpine eng mit dem Dienstleister Improve in Dury bei Amiens zusammen. Das französische Forschungs- und Entwicklungszentrum nutzt unter anderem die Multiprozessanlage des Augsburger Maschinenbauers, eine Produktionsanlage im Labormaßstab. Damit gelingt eine Kombination aus Feinstvermahlung und Windsichtung, um Hülsenfruchtmehle aus Ackerbohnen, Erbsen oder Linsen mit Protein anzureichern. Auch die Entschälung der Rohstoffe und die Grobvermahlung übernimmt Hosokawa-Technik. Ergänzt durch einen Zick-Zack Sichter wird die Multiprozessanlage, bestehend aus einer Fließbett-Gegenstrahlmühle, einer Sichtermühle, einer Feinprallmühle und einem hochpräzisen Windsichter, zum Allrounder für die Entwicklung von Proteinverschiebungsprozessen.

Darüber hinaus können Kunden im Application Center Food von Hosokawa Alpine, eröffnet 2021 am Standort Augsburg, Tests mit Sichtern, Sichtermühlen und Feinprallmühlen fahren.

Andritz CEO Joachim Schönbeck durchschneidet das Band, links Olaf Müller, rechts Marco Buis Eröffnung des Food Innovation Xperience Centers bei Andritz Gouda B.V. in den Niederlanden. Andritz CEO Joachim Schönbeck durchschneidet das Band, links Olaf Müller (Senior Vice President, Andritz Separation Division) und rechts Marco Buis (Geschäftsführer Andritz Gouda).

Übergang von der Pilotphase in den industriellen Maßstab

Wer die Entwicklung alternativer Proteine von der Labor- oder Pilotphase auf den industriellen Maßstab übertragen will, dem gibt Andritz Separation Schützenhilfe. Das 2023 eröffnete Food Innovation Xperience-Testzentrum des Maschinenbauers in Waddinxveen, Niederlande, eignet sich, um Prozesse zu prüfen und zu validieren. Die resultierenden technischen Parameter sowie die entstehenden Endprodukte für Markttests mindern das Risiko bei der Investitionsentscheidung des Alternativ-Food-Anbieters. Das 850 Quadratmeter große Zentrum ist mit Andritz-Technologien für Mahlung, Extraktion, Entwässerung und Trocknung ausgestattet. Verschiedenste Versuche im Bereich alternative Proteine sind möglich.

neue Kühldüse Megatex von Coperion Die neue Kühldüse Megatex von Coperion soll künftig die Herstellung des Fleischersatzprodukts HMMA deutlich flexibler und wirtschaftlicher machen.

Faseriges HMMA wie tierisches Muskelfleisch

Vom Fachwissen des Maschinenbau-Unternehmens Coperion können Entwickler pflanzlicher Protein-Produkte ebenfalls profitieren. Der Techniklieferant hat sich auf TVP (texturierte pflanzliche Proteine) und HMMA (High Moisture Meat Analogues) spezialisiert. In seinen Testzentren bietet er Unterstützung bei der Verarbeitung unterschiedlichste Proteine. Zum Einsatz kommen u. a. die ZSK-Lebensmittelextruder mit ZGF-Pelletierer oder Kühldüse sowie Feeder und Materialtransport-Equipment. Für Forschungseinrichtungen und Start-ups gibt es den ZSK Food Extruder in Hybridversion. Er ermöglicht es TVP und HMMA auf derselben Anlage herzustellen. Im Februar 2024 kündigte das Unternehmen zudem eine neue Kühldüse, die Megatx S7 an. Sie verleiht HMMA nach Austritt aus dem Extruder eine besonders dichte, faserige Struktur analog zu tierischem Muskelfleisch. Die modular aufgebaute Kühldüse lässt Rezeptur- und Konfigurationswechsel mit nur wenigen Handgriffen zu.

GEA-Technologiezentrum in Hildesheim Im GEA-Technologiezentrum in Hildesheim lassen sich Prozesse zur Herstellung neuer Lebensmittel evaluieren und die Produktion mit Hilfe von Zellkulturen und mikrobieller Fermentation testen.

Zellbasierte Proteingewinnung: Von der Machbarkeitsstudie bis zur Produktionsanlage

Auch GEA unterstützt seine Kunden mit Verfahrenstechnik und Wissen beim Aufbau eines Veggie-Portfolios – und hat dabei einen besonders breiten Ansatz. Von der Entwicklung über das Scale-up bis zur Produktion profitieren Hersteller von den Möglichkeiten in den GEA-Testzentren. Im Juni 2023 wurde im niedersächsischen Hildesheim (Deutschland) ein Technologiezentrum für die Gewinnung alternativer Proteine eingeweiht. In einer Pilotlinie zur Zellzüchtung und Fermentation werden dort Laborentwicklungen bis zur kommerziellen Herstellung vorangetrieben. Es ergänzt die Kompetenzzentren im Bereich New Food, die sich unter anderem mit Bioreaktoren (Hildesheim sowie Skanderborg, Dänemark) und der Zellseparation (Oelde) beschäftigen.

Im Februar 2024 begann GEA zudem mit der Errichtung eines Technologiezentrums für alternative Proteine im US-Bundesstaat Wisconsin. Denn auch in den USA wächst die Nachfrage nach New Food. Die industrielle Produktion hat jedoch Nachholbedarf. Die Eröffnung des US-Foodtech-Hubs mit einer vollständigen Prozesslinie in einem 10.000 Quadratmeter großen Gebäude ist für 2025 geplant. Dort sollen Anlagen für die Produktion von Lebensmitteln auf pflanzlicher, mikrobieller oder Zellbasis pilotiert werden.

Protein-Spezialisten in etablierten Food-Innovation-Hub eingebunden

Weitreichend ist auch der Beistand, den Nahrungsmittelhersteller mit Bedarf an Protein-Applikations-Know-how ab sofort vom Schweizer Unternehmen Bühler erwarten dürfen. Im Januar 2024 hat es zusammen mit Partner Endeco ein Protein Application Center in Uzwil, ca. 40 km östlich von Zürich, eröffnet. Auf einer Fläche von 300 Quadratmetern umfasst das Zentrum Optionen zur Trocken- und Nassverarbeitung von Hülsenfrüchten oder Getreide zu Proteinen, Fasern und fertigen Konsumartikeln wie Milch- oder Fleischersatz. Kunden können hier ihre Ideen auf dem Gebiet der Proteinverarbeitung zur Herstellung von pflanzlichen Lebensmitteln validieren. Unter anderem steht eine kleine, hochflexible Verarbeitungslinie mit einer Kapazität von einem Kilogramm pro Stunde (kg/h) sowie eine Produktionslinie im industriellen Maßstab mit einer Zuführungskapazität von 200 kg/h zur Verfügung.

Bühler und der deutsche Anlagenbauer Endeco, spezialisiert auf Stärke- und Proteinanlagen, hatten Mitte 2022 eine strategische Partnerschaft gegründet. Der von Endeco entwickelte Prozess für die Proteinisolierung wurde nun in die Anwendungszentren von Bühler integriert. Als weiterer Partner steuert Flottweg die klassische Proteinisolierung mithilfe eines isoelektrischen Fällungsprozesses in Dekanterzentrifugen bei. Mit der Membranfraktionierung mittels Ultrafiltrationstechnologie vom Schweizer Unternehmen MMS steht ein alternatives Verfahren in Uzwil bereit.

Zur kleinen Anlage gehört eine Molkereianwendungslinie. Hier lassen sich vegane Getränke, Joghurts und Käse entwickeln. Darüber hinaus arbeitet das Protein Application Center mit den anderen Anwendungszentren von Bühlers Food Innovation Hub in Uzwil zusammen, etwa mit dem Grain Innovation Center (GIC) und dem Extrusion Application Center.

Fazit: Leckere New-Food-Produkte effizient erzeugt

Im relativ jungen technischen Umfeld der Proteinisolierung und -verschiebung für New-Food-Produkte spielen die Technologie-Anbieter eine große Rolle. Mit Applikations- und Testzentren bieten sie Startups, jungen Unternehmen und etablierten Nahrungsmittelproduzenten die Möglichkeit, neue Produktideen auszuprobieren. Hier kann die Technik zu Herstellung von Nahrungsmitteln auf Basis pflanzlicher Proteine bis zum industriellen Maßstab skaliert werden. Die Maschinenbauer wiederum haben die Chance, ihre Kunden von den neusten technischen Innovationen zu überzeugen. Gemeinsam kann es ihnen gelingen, die Effizienz der Produktion von New Food zu steigern und zugleich Alternativen zu tierischen Produkten zu kreieren, die anspruchsvolle Konsumenten geschmacklich überzeugen.

Autor

Ulla Reutner

Dr. Ulla Reutner

Chemikerin und freie Fachjournalistin