Schrittweiser Abschied von Mikroplastik in Kosmetika
Mikroplastik in Peelings und Duschgelen gebührt die rote Karte. Seit Oktober 2023 ist es in der EU verboten. Die Hersteller haben den Umstieg auf alternative Inhaltsstoffe gut gemeistert. Doch bei vielen weiteren Produkten wie Shampoo, Waschmittel, Haargel, Lippenstift und Nagellack steht der Ausstieg noch bevor.
Mikroplastik gehört nicht in die Umwelt. Gelangt es doch in Gewässer, reichert es sich in Fischen und Schalentieren an – und kommt so zurück auf unsere Teller. Nach einer EU-Verordnung vom Oktober 2023 darf es daher Produkten, bei deren Verwendung es freigesetzt wird, nicht mehr bewusst zugesetzt werden. Sekundäres Mikroplastik, das durch Zerfall größerer Plastikprodukte entsteht, fällt nicht unter die Verordnung. Verboten ist primäres Mikroplastik: synthetische Polymerpartikel, die kleiner als 5 Millimeter (Fasern bis 15 Millimeter), unlöslich und schwer abbaubar sind. Granulat auf künstlichen Sportflächen ist die größte Quelle. Aber auch zahlreiche Kosmetika und Waschmittel, Pflanzenschutz- und Arzneimittel fallen unter die Beschränkung. 42.000 Tonnen Mikroplastik jährlich werden Schätzungen zufolge so in der EU freigesetzt.
Für einige der genannten Produkte galt das Verbot bereits mit Inkrafttreten der Verordnung. Loser Glitter aus Kunststoff sowie Peelings und Duschgele, welchen Mikroperlen (Microbeads) für einen Peeling- oder Reinigungseffekt zugesetzt wurden, dürfen zum Beispiel seit 17. Oktober 2023 nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Bei Microbeads haben die Hersteller geliefert. Als Ersatz für die Kunststoffpartikel setzen sie inzwischen auf Walnussschalen oder Aprikosenkerne, auf mineralische Stoffe, Wachs, Zellulosekapseln oder Jojobaperlen. Etliche Hersteller meldeten schon deutlich früher den Umstieg.
Fahrplan für den Ausstieg bei Shampoo, Cremes, Make-up und Co.
Doch damit steht das Ausstiegsszenario erst am Anfang. Mikroplastik wird schrittweise auch in weiteren Produkten verboten:
- ab Oktober 2027 in Rinse-off-Produkten wie Shampoo oder Duschgel;
- ab Oktober 2028 in Wasch-, Pflege-, Reinigungs- und Poliermitteln, Lufterfrischern und Wachsen;
- ab Oktober 2029 in Leave-on-Produkten wie Cremes und Haargel, die auf Haut bzw. Haar verbleiben
- und ab Oktober 2035 in Make-Produkten, Lippenstift und Nagellack.
Den Produzenten wird also zum Teil eine wirklich lange Übergangsfrist eingeräumt. Dass es schneller gehen kann als vom Gesetzgeber gefordert, zeigt unter anderem L’Oréal, dessen Rinse-off-Produkte nach eigenen Angaben bereits seit 2020 frei von Mikroplastik sind. Auch Beiersdorf meldet für sämtliche Nivea-Produkte inklusive Rinse-off bereits Ende 2021 den Verzicht auf Mikroplastik.
Hohe Anforderungen an Ersatzprodukte wie Opacifier
Hersteller L’Oréal erklärt auf seiner Homepage, dass Mikroplastik unter anderem als Trübungs- oder Mattierungsmittel in der Kosmetik verwendet wird. Es sorge zudem für ein sanftes, seidiges Gefühl und die Textur von Formulierungen lasse sich damit anpassen. „Ferne haben diese Stoffe den Vorteil, dass sie chemisch und physikalisch inert sind“, steht dort zu lesen. Diese Anforderungen bestehen auch an bestehende und künftige Ersatzprodukte. Doch auch das ist kein Hexenwerk. So bietet etwa Clariant einen mikroplastikfreien, biologisch abbaubaren Opacifier für Rinse-off-Produkte.
Mit derartigen Produkten kann auch der Verbraucher mitgenommen werden. Denn oft ändern sich Eigenschaften und Erscheinungsbild von Produkten, wenn Mikroplastik ersetzt wird. Das Duschgel ist dann beispielsweise nicht mehr weiß; Cremes lassen sich etwas schlechter auf der Haut verteilen. Knifflig wird es voraussichtlich bei der Kategorie mit der längsten Umstiegsfrist: Laut IKW gibt es gegenwärtig nur in Einzelfällen alternative Lösungen für Make-up-Produkte, Lippenstift und Nagellack. Welche das sein könnten? Das ist bislang das Geheimnis der einzelnen Hersteller und ihrer Produktentwickler.
Gesundheitsgefahren durch Mikroplastik? BfR gibt Entwarnung
Erst in gut zehn Jahren werden also Makeup- und Lippenstift-Nutzerinnen davon ausgehen können, dass sie nicht gleichzeitig Mikroplastik auf der Gesichtshaut applizieren. Ist das nicht ungesund? Tatsächlich geht es heute schon ohne, wie etwa das Unternehmen Cosnova mit seinen komplett mikroplastikfreien Produkten der Kosmetikmarken Essence und Catrice beweist. Es verwundert, dass gerade Markenhersteller wie Lancome oder Maybelline, in deren Schönheitsprodukten laut Greenpeace-Studie besonders oft Kunststoff im Einsatz ist, gar keine Informationen über Mikroplastik verbreiten. Schließlich landen die winzigen Partikel von Lippen und Haut nicht selten im Körper. Greenpeace warnt, Mikroplastik können Zellbarrieren durchdringen und Entzündungen auslösen.
Birgit Huber vom IKW widerspricht: „Die Hersteller kosmetischer Produkte legen besonderen Wert darauf, dass die von ihnen verwendeten Inhaltsstoffe für die menschliche Gesundheit unbedenklich sind. Dies gilt auch für die in kosmetischen Produkten verwendeten Mikrokunststoffpartikel.“ Sie verweist auf einen Artikel des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom Juli 2022. Demnach ist Mikroplastik zu „sperrig“, um von menschlichen Zellen in nennenswerten Umfang aufgenommen zu werden. Es sei unverdaulich und werde größtenteils wieder ausgeschieden. Anders sieht es bei Kunststoffpartikeln im Submikro- und Nanobereich aus. Diese könnten tatsächlich Entzündungsprozesse hervorrufen. Um dies abschließend zu beurteilen, seien laut BfR jedoch Folgeversuche nötig. „Die Forschung hat inzwischen aber erkannt, dass es wohl auch Nanoplastik gibt, wo Mikroplastik ist“, räumt Pfundstein ein. Sie weiß: „Dank erheblicher Fortschritte bei der Detektion der Partikel gelingt der Nachweis immer häufiger. Doch die Forschung steht am Anfang; Zurzeit ist es völlig unklar, wie hoch die Exposition aus welcher Aufnahmequelle ist und vor allem welche Auswirkung sie hat.“
Beim Mikroplastik-Footprint Verpackung berücksichtigen
Relativ neu ist die Diskussion um den Mikroplastik-Footprint. Gemeint ist eine umfassende Betrachtung des Eintrags von Mikroplastik in die Umwelt durch ein Produkt inklusive Produktion, Verpackung und sachgemäßer Entsorgung. Dr. Pfundstein hält davon mit Bezug auf die Kosmetikindustrie wenig: „Der Eintrag ist im Vergleich zu anderen Sektoren verschwindend gering – und das Sammeln von Daten über die freigesetzte Menge an Mikroplastik durch verschiedene Aktivitäten und Produkte höchstwahrscheinlich sehr aufwendig.“
Der IKW beobachte die derzeitige Diskussion sehr genau, sagt Birgit Huber. Generell werde intensiv an einer Vermeidung oder Einsparung von Kunststoff auch im Verpackungssektor gearbeitet. Huber geht ins Detail: „Aus unserer Umfrage unter Mitgliedsunternehmen aus dem Jahr 2022 wissen wir beispielsweise, dass 70 Prozent der Unternehmen Lösungen für leichtere und kleinere Verpackungen (2020: 67 Prozent) planen und 57 Prozent nehmen sich zukünftig vor, Kunststoff durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen (2020: 55 Prozent). 81 Prozent wollen außerdem die Recyclingfähigkeit der Verpackungen erhöhen (2020: 73 Prozent).“ Hier könnten zum einen Refill-Lösungen, zum anderen alternative Materialien zum Beispiel auf Basis von Zellulose künftig mithelfen, den Eintrag von Mikrokunststoff durch Kosmetika nachhaltig zu verringern.