Auf dem Weg zur intelligenten Nahrungsmittelfabrik
27.08.2024 Food/Feed Artikel

Auf dem Weg zur intelligenten Nahrungsmittelfabrik

Gesund und möglichst bequem zu konsumieren – das sind die „trendigen“ Lebensmittel. Die Nachfrage danach steigt. Viele Hersteller investieren in zusätzliche Produktionskapazitäten. Aber auch alle anderen sind gefordert, die Effizienz ihrer Produktion weiter zu verbessern. Wer modernisiert und vor neuen Technologien wie KI nicht zurückschreckt, bleibt wettbewerbsfähig.

Eine Produktionsmitarbeiterin in Schutzkleidung, einschließlich Haarnetz, Maske und Handschuhen, verwendet ein Tablet zur Überwachung und Steuerung von Prozessen in einer Anlage mit großen Edelstahlbehältern und Rohrleitungen Lebensmittelproduzenten, die in die Zukunft investieren, legen mit Single Pair Ethernet die Grundlagen. Bis in die Feldebene können große Datenmengen mit hoher Geschwindigkeit übertragen werden.

Immer öfter ist von der „Smart Factory“ die Rede. Die gab es lange nur in der Fertigungsindustrie. Die Prototypen waren Autofabriken, ausgerüstet mit jede Menge Datenerfassungstools, mit Wlan- und 5G-Netzen, fit für Big-Data-Analysen, im Hintergrund der Digitale Zwilling.

Was hat das mit der Produktion von Lebensmitteln zu tun? Viel – und ständig mehr. Die „intelligente Nahrungsmittelfabrik“ ist nicht länger eine Vision. Mit Lösungsansätzen, die das „Industrial Internet of Things“ (IIoT) bietet, kann man heute Schwankungen der Nachfrage, der Forderung nach einer größeren Lieferfrequenz und dem hohen Anspruch an sichere, hochqualitative Lebensmittel leichter gerecht werden. Ist der erste Schritt, die weitreichende Automatisierung der Produktion, gestützt durch zahlreiche Sensoren, Aktoren und Qualitätsanalytik, vollzogen, stehen die nächsten Steps hin zur Smart Food Factory an.

Vorausschauende Instandhaltung als Zwischenschritt

Laut DLG-Trendmonitor 2024 planen 42 Prozent der Unternehmen innerhalb der nächsten drei Jahre, in die Digitalisierung zu investieren. 39 Prozent wollen die Automatisierung weiter stärken. Für Ersatzinvestitionen sowie zur Effizienzsteigerung werden 52 bzw. 50 Unternehmen Geld in die Hand nehmen. Für Kapazitätserweiterungen sehen 36 Prozent Investitionen vor. Der Trendmonitor zeigt zudem auf, dass moderne Instandhaltungsmethoden zwar von 29 Prozent genutzt werden und von 26 Prozent geplant sind. Auf KI setzen bislang 10 Prozent der Befragten; 34 Prozent wollen sie in den nächsten drei Jahren einsetzen. Dennoch: Von der Smart Factory sind die meisten noch weit entfernt. Immerhin zehn Prozent bezeichnen ihre Fabrik heute schon so. Weitere 23 Prozent wollen sie demnächst verwirklichen.

Ein Mitarbeiter in grüner Arbeitskleidung mit Haarnetz bedient eine große industrielle Anlage mit mehreren Rohrleitungen und Behältern in einer Produktionsumgebung, die für die Verarbeitung von Lebensmitteln oder Kräutern ausgelegt zu sein scheint Auch bei mittelständischen Lebensmittelproduzenten wie Kräuter Mix hält die digitale Transformation Einzug: mit vernetzten Anlagen und der Visualisierung und Optimierung der Produktionsabläufe.

Nicht nur die großen Player setzen KI ein

Im Juli 2024 gab zum Beispiel Danone bekannt, es prüfe eine Zusammenarbeit mit Microsoft. Das Ziel sei, Künstliche Intelligenz (KI) in alle Betriebsabläufe zu integrieren. Schon seit einigen Jahren treibt der Konzern den Einsatz digitaler Technologien voran. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Leuchtturmfabrik in Opole/Polen. Unilever setzt KI in der Produktion ein, um die Effizienz zu steigern und Abfall zu reduzieren. Kraft Heinz erstellt mit KI Nachfrageprognosen und versucht, die Produktentwicklung zu beschleunigen. Auch immer mehr mittelständische Unternehmen entdecken die Vorteile von KI in der Produktion: zum Beispiel Kräuter Mix (Deutschland) – für die Überwachung des Produktionsprozesses und für Nachfrageprognosen.

„Digitale Lebensmittelsicherheit“ ist eines der bestimmenden Themen. Prognosetools lassen es zu, von Änderungen bei Ausgangsprodukten oder in der Produktion schnell auf Auswirkungen der Produktsicherheit zu schließen. Nestlé forciert das zurzeit. Eine zentrale Rolle spielten dabei das Nestlé Institute of Food Safety and Analytical Sciences (NIFSAS) in Lausanne sowie weitere Institute in China und Indien. Die Teams entwickeln unter anderem robuste Analysemethoden und Tools für künstliche Intelligenz. Künftig soll Big Data in Echtzeit genutzt werden, um Risiken zu identifizieren.

Breites Angebot an intelligenter Sensorik und PAT

Für den, der nicht auf selbst entwickelte Methoden zurückgreifen kann, gibt es auf dem Markt ein wachsendes Angebot. Immer mehr Sensoren werden den hygienischen Anforderungen der Lebensmittelindustrie, aber auch Besonderheiten bestimmter Produktionsbereiche gerecht. So lässt sich die Füllstandsmessung bei starker Staubentwicklung, etwa im Getreidesilo, ebenso realisieren wie etwa in kleinen Lagerbehältern für Backzutaten. Cloud-basierte Füllstandssensoren ermöglichen das Bestandsmanagement aus der Ferne. Auf hohe Produktqualität und reduzierten Energieeinsatz zielt der Einsatz von Radar-basierten Feuchtesensoren ab. Zukunftssicherheit bietet dabei digitale Sensortechnologie, die eine große Datenmenge speichert. Vorausschauende Wartung und IIoT-Services werden dadurch unterstützt.

Für die Inline-Qualitätskontrolle von Lebensmitteln eignen sich Prozessanalyse-Technologien wie die Raman-Spektroskopie zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung, die pH-, Konzentrations- und Dichtemessung, Leitfähigkeits-, Farb- und Trübungsmessung. Der breite Einsatz gewährleistet nicht nur die Produktqualität, sondern erhöht auch die Anlagenverfügbarkeit. Auch die CIP-Reinigung kann durch Inline-Konzentrationsmessung und Bestimmung der Belagsdicke an kritischen Anlagenstellen in Verbindung mit Füllstands- und Durchflussmessung optimiert werden. Anstelle von zeitgesteuerten Prozessen wird der Reinigungsprozess in Echtzeit überwacht und gesteuert. Das reduziert Reinigungszeiten und stellt zudem die Rückverfolgbarkeit sicher.

Ein Radarfüllstandsensor aus Edelstahl vor einem Hintergrund aus Tanks und Rohrleitungen mit Hinweis auf die IO-Link-Technik Auch mit Hilfe der Kommunikation über IO-Link-Anschlusstechnik gelingt die Fabrikautomation inklusive umfangreicher Diagnose. Für hygienesensible Prozesse sind zudem Sensoren mit Hygieneadaptern eine gute Wahl.

Ethernet bis ins Feld

Voraussetzung für die nächsten Schritte zu IIoT und Smart Factory ist – neben intelligenten Sensoren zur Datenerfassung – eine leistungsfähige, durchgängige Vernetzung. Sie muss große Datenmengen mit hoher Geschwindigkeit aus der Feldebene übertragen. Im Nicht-Ex-Bereich, in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie der Normalfall, eignet sich dazu Single Pair Ethernet (SPE). Mit einem zweiadrigen Kabel überträgt es sowohl Daten als auch Energie. Für den explosionsgefährdeten Bereich steht dazu Ethernet-APL zur Verfügung.

Weitreichende Automatisierung als Basis der Smart Factory

Doch kein Hersteller sollte den zweiten oder dritten Schritt vor dem ersten tun. Wenn alle Zutaten gemäß Rezeptur automatisch eingewogen bzw. dosiert zugeführt werden, wenn der folgende Prozess exakt gesteuert und der gesamte Produktionsprozess inklusive etwaiger händischer Eingriffe automatisch geführt wird – nur dann kann der Übergang zur Smart Factory gelingen. Aber auch ohne diesen Anspruch profitieren Anlagenbetreiber von einem hohen Automatisierungsgrad: etwa durch weitgehende Transparenz der Produktion und eine erleichterte Chargenrückverfolgung. Die Produktsicherheit steigt. Verknüpft man Produktions- und Instandhaltungssysteme, erhöht sich in der Regel die Anlagenverfügbarkeit. Wer sich dann noch daran wagt, das Produktionssystems an übergeordnete MES- und/oder Warenwirtschaftssysteme anzubinden, ist selbst ohne KI näher an der optimalen Betriebsführung – und damit sicherlich wettbewerbsfähig.

Autor

Ulla Reutner

Dr. Ulla Reutner

Chemikerin und freie Fachjournalistin