Die Klaviatur der mechanischen Schüttgutförderung
Mechanische Lösungen fördern unterschiedlichste Schüttgüter horizontal, vertikal oder schräg. Das Material darf grob und abrasiv, empfindlich oder sogar klebrig sein. Etliche Funktionsprinzipien gibt es schon sehr lange. Förderbänder wurden bereits im frühen 19. Jahrhundert populär, kurz darauf auch Schneckenförderer und Becherwerke. Doch noch immer gibt es Neuerungen.
In vielen Branchen sind Schüttgüter – als Ausgangs- oder Endprodukt – nicht wegzudenken. Getreide, Zucker und Gewürze werden zu Backmischungen und Saucenpulver. Die Chemie produziert Wasch- und Düngemittel und verarbeitet Salze und Erze. Bindemittel und Füllstoffe benötigt die Pharmaindustrie für Tabletten, Kapseln und Granulate. In der Bauwirtschaft und im Bergbau liegt der Anteil der verarbeiteten bzw. erzeugten Schüttgüter besonders hoch. All diese Materialien müssen gefördert werden: zu Lagerbehältern, zur Produktionsanlage, zwischen verschiedenen Prozessschritten oder am Ende der Produktionskette in diverse Gebinde und Verpackungen. Bei der Vielfalt verwundert es nicht, dass dabei unterschiedlichste Techniken eingesetzt werden.
Besonders gilt dies für die mechanische Schüttgutförderung. Wegen der fixierten Förderwege gilt sie zwar als weniger flexibel als die ebenfalls häufig eingesetzte pneumatische Förderung. Dafür kann man mit ihr größere Mengen fördern und dabei noch Energie sparen. Die vielfältigen Standardprodukte erlauben es, unterschiedlichsten Anforderungen gerecht zu werden. Dabei ist den Charakteristika der Produkte Rechnung zu tragen. Immer neue Schüttgüter – etwa bei der Entwicklung von New Foods oder speziellen Pulvern für den 3D-Druck – fordern die Kreativität und oft auch das Fingerspitzengefühl der Anlagenplaner heraus.
Allem voran ist das Fließverhalten des Materials von Bedeutung. Es hängt unter anderem von Partikelgröße, Form der Teilchen, Porosität und Rauigkeit des Materials ab. Die gewünschte Förderdistanz und -menge sowie die Gegebenheiten im Produktionsumfeld, etwa die mögliche Bauhöhe, sind wichtige Kriterien bei der Auswahl der geeigneten Technik. Zu beachten sind zudem Regularien wie Hygienestandards oder Explosionsschutz.
Jahrhunderte alte Technikprinzipien in innovativen Varianten
Zu den typischen Fördergeräten gehören Förderbänder und Gurtförderer, die sich für große Mengen und weite Strecken bis hin zu Kilometern eignen, wie etwa die Systeme von Beumer. Eine kompakte, geschlossene Förderung mit geringer Staubentwicklung kann man mit Schneckenförderern oder – bei schweren, abrasiven Materialien – mit Kettenförderern realisieren. Für die vertikale Förderung setzt man häufig Eimerkettenförderer (Becherwerke) ein.
Rohrketten- oder auch Rohrschleppförderer sind für zahlreiche Pulver und Schüttgüter – von Getreide über Kaffee bis hin zu Kunststoff und Mineralpulver geeignet. Dabei kann man auch gewundene vertikale und horizontale Strecken überwinden – mit hoher Kapazität, staubfrei und schonend. Zu den Anbietern gehört unter anderem der italienische Schüttgut-Handling-Spezialist Falcon. Sein Programm umfasst zwei Modelle, eines für besonders große Distanzen, und ein zweites, besonders kompaktes Modell mit parallelen Rohren. Beide sind auch als ATEX-Ausführung erhältlich.
Derartige Rohrkettenförderer produziert auch Schrage Conveying Systems. Und das auf ganz besondere Art. Der Anbieter hat einen kollaborativen Roboter (Cobot) ermittelt, der bei der Montage der Mitnehmerscheiben – tausende pro Jahr – unterstützt. Mit über 4.000 Referenzen weltweit hat Schrage schon unterschiedlichste Linienführungen realisiert. Es entstanden bereits Förderstrecken über 50 m Länge und 30 m Höhe, also Ausmaße, die für pneumatische Förderanlagen typisch sind. Nur eben, dass die Förderung deutlich weniger Energie benötigt und mit geringem Verschleiß sowie schonender für das Produkt möglich ist. Darüber hinaus gibt es mobile oder stationäre Stand-Alone-Modelle, die das Be- und Umfüllen bei unterschiedlichsten Behältern oder Tankwagen erleichtern.
Zellenradschleusen als vielfältige Problemlöser
Eine Besonderheit in der Schüttgutförderung sind Zellenradschleusen, beliebt in der chemischen und Lebensmittelindustrie. Sie transportieren Schüttgut bei Bedarf zwischen zwei Räumen mit einer Druckdifferenz und dosieren es auch. Sie verbinden also mechanische und pneumatische Systeme. Ein Rotor mit mehreren Zellen ist das namensgebende Element. Eine breite Auswahl gibt es beispielsweise von DMN Westinghouse, die auf der letzten POWTECH mit Ausführungen mit vergrößertem Einlass für pulverige Produkte und Granulate sowie mit Dairy-Schleusen mit USDA-Zulassung für Molkereien, Lebensmittel-, Pharma- und Chemieanwendungen am Start waren.
Für das Austragen und Dosieren von staubförmigen bis grobkörnigen Schüttgütern eignen sich zudem die Zellenradschleusen von Jaudt Dosiertechnik. EHEDG-Ausführungen gehören ebenso zum Portfolio wie Messer- oder Brecherschleusen, die überstehendes Material zerkleinern und so den Austrag aus Silos oder Bunkern erleichtern. Speziell für Prozesse mit häufigen Reinigungszyklen und Inspektionen konzipiert sind Quick-Clean-Zellenradschleusen, wie sie etwa TBMA anbietet. Bei diesen kann man den Rotor auf Führungsstangen einfach ausziehen, um diesen sowie das Innere der Zellenradschleuse zu reinigen.
Aeromechanik für empfindliche Schüttgüter
Gerade für empfindliche Schüttgüter ergeben sich immer wieder neue Lösungen. Zu den innovativen Alternativen zu Becherwerken und Rohrkettenförderern gehören aeromechanische Pulverförderer. Auf der POWTECH 2023 wurden sie unter anderem von Gough und Idealtec vorgestellt. Die flexiblen Steigfördersysteme transportieren feine Pulver ebenso wie Granulate, und das sehr schonend. Mit ihnen kann man Silos, BigBags oder Mischer beschicken oder Tankfahrzeuge beladen. Staub und Produktverluste sowie der Verschleiß an der Maschine werden deutlich reduziert. Das Prinzip basiert auf Unterdruck, der entsteht, indem man eine Förderscheibe mithilfe eines Seils mit einer Geschwindigkeit vom ca. 4 m/s durch ein Rohr zieht. In den entstehenden Sog wird freifließendes Schüttgut nahezu ohne Reibungskräfte angesaugt. Mit aeromechanischen Förderern kann man strenge Hygienestandards einhalten und Anwendungen im explosionsgefährdeten Bereich realisieren.
Wirkungsvolle Vibration
Vibrationsförderer kommen ebenfalls für leicht fließende, empfindliche Materialien zum Einsatz. Zahlreiche verschiedene Basisausführungen lassen sich individuell auf Produkteigenschaften und Besonderheiten des Prozesses anpassen. Netter Vibration, das sich auf diese Art von Fördertechnik spezialisiert hat, bietet beispielsweise das Fördersystem Powerpack: Eine auf Federn gelagerte Förderrinne wird durch einen Druckluftkolbenvibrator in Schwingungen versetzt. Das Schüttgut darauf wird immer wieder ein winziges Stück nach vorne geworfen. Frequenz und Amplitude sind dabei getrennt regelbar. Das System ist leicht zu reinigen und auch für Anwendungen in der chemischen Industrie nutzbar. Dafür kann man gegebenenfalls statt Druckluft auch Stickstoff als Antriebsmittel wählen. Varianten aus Edelstahl eignen sich auch für die Pharma- und Lebensmittelindustrie.
Besonders energieeffizient wird der Transport, wenn die Fördersysteme in Eigenresonanz schwingen und somit wenig Druckluft verbrauchen. Beim Flexilink von Netter ist das der Fall. Er ermöglicht Schwingbreiten bis zu 30 mm. Lange Fördersysteme und hohe Fördergeschwindigkeiten sind damit realisierbar. Man kann damit auch Wendelförderer antreiben.
Für eine extrem schonende horizontale Förderung von leichten, bruchempfindlichen Schüttgütern wie Kartoffelchips oder Tabletten kann man zudem die LineDrive-Fördersysteme von Netter oder aber die Haftgleitförderer von Vibra Schultheis nutzen. Ihre zentralen Elemente sind eine Förderrinne bzw. Fördertrog und ein Linearantrieb, der die Rinne in der Förderebene in Schwingungen versetzt. So wechseln sich Haft- und Gleitphase ab und das Fördergut bewegt sich in die gewünschte Richtung. Wie bei Bandförderern ist die Förderrichtung also umkehrbar. Anders als bei üblichen Schwingförderern ist das zu fördernde Produkt dabei keiner Vertikalbeschleunigung ausgesetzt.
Über die Abstimmung von Förderleistung und -geschwindigkeit, Höhe des Produkts in der Förderrinne, Winkel der Vibratoren zum Trogboden und anderen Parametern lassen sich Anlagen mit unterschiedlichsten Produkten optimal beschicken, wobei sich eine große Erfahrung des Planers auszahlt. Er kann bei der Auslegung sicherstellen, dass Verschleiß weitgehend vermieden wird. Sogar stark anhaftende Produkte wie Schinkenstreifen lassen sich mit dieser Technik gleichmäßig und schonend fördern.
Durch neue Produkte und Anwendungen entstehen für die mechanische Förderung immer wieder neue Herausforderungen, etwa im Bereich Batteriemassenfertigung. WAM bietet hierzu seit kurzem eine Spezialausführung seiner Förderschnecke an. Die in Edelstahl ausgeführte TXB-Förderschnecke wurde für diese Anwendung optimiert. Auch eine Variante für die Lebensmittelindustrie gibt es: Der Rohrschneckenförderer Typ TXF, ebenfalls aus Edelstahl, zeichnet sich unter anderem durch Nachverfolgbarkeit aller verwendeten Komponenten und Materialien und Zertifizierung gemäß EC 1935/2004 aus. Wie alle TX-Förderer vermeidet er die Kontaminierung der Produkte; die besonders glatte innere Oberfläche sorgt für minimale Produktrückstände. Die TXF-Förderer sind optional mit ATEX-Zertifizierung für Zone 22 oder 21 lieferbar. Auch bei ihnen gibt es zahlreiche Optionen, um für optimalen Materialfluss zu sorgen, ob bei der Gebäck- oder Teigwarenherstellung, bei der Kakao- oder Salzaufbereitung und sogar bei der Produktion von Babynahrung.
Fazit und Ausblick
Ob Förderband, Becherwerk, Schneckenförderer – oder neuere Varianten wie Vibrationsförderer: Lösungen für mechanische Schüttgutförderung sind genauso vielfältig wie das zu transportierende Material. Auswahl und Auslegung sind alles andere als einfach. „Von der Stange“ ist kaum ein Förderer zu haben. Erfahrene Planer konzipieren jedoch Systeme für die unterschiedlichsten Rahmenbedingungen und sicherheitstechnische Bedürfnisse. Expertenwissen zu Mess-, Steuer- und Regeltechnik, Mechatronik und Automatisierung ergänzen die Maschinenbau-Expertise, um so wirklich sichere und der Applikation angepasste, leistungsfähige Förderer zu kreieren.