Große Ziele für kleine Partikel
04.10.2024 Analysieren & Automatisieren Artikel

Große Ziele für kleine Partikel

Wer anspruchsvolle, komplexe oder teure Medien produziert, möchte während der Herstellung alle Eigenschaften im Blick behalten, die entscheidend für Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit sind. Bei Produkten mit Nanopartikeln stellt die Messung der Partikelgröße bislang noch Herausforderungen dar – denn sie ist nur offline möglich. Ein Forschungsvorhaben soll das ändern.

Eine Mühle aus Holz mit frisch gemahlenem Mehl, daneben ein geöffneter Sack mit Getreide Grob oder Fein? Die Partikelgröße hat großen Einfluss auf die Eigenschaften des Produkts.

Was haben Druckfarben, Katalysatoren und Medikamente gemeinsam? Ihre Wirksamkeit und Funktionalität hängen maßgeblich von der Beschaffenheit der in ihnen gebundenen Partikel ab. Weicht die Größe der farbgebenden Teilchen von den Anforderungen ab, können Farben beispielsweise Druckköpfe verstopfen. In der Medizin können zu große oder kleine Partikel sogar die Gesundheit des Patienten gefährden.

Zahlreiche produzierende Industrien sind deshalb daran interessiert, die Partikelgröße der Medien in ihren Produktionsprozessen so genau wie möglich zu kennen. Bisher ist das allerdings meist nur offline möglich. Das bedeutet: Aus dem laufenden Prozess wird eine Probe entnommen und analysiert. Die Größenbestimmung ist auf verschiedenen Wegen möglich: per Siebanalyse, durch statische oder dynamische Bildanalyse, mittels Laserlichtstreuung oder Laserbeugung und mit dynamischer Lichtstreuung.

Die Methoden sind etabliert, bringen jedoch Nachteile mit sich: Ergibt die Untersuchung, dass die Partikel bereits zu klein vermahlen wurden, ist die Charge verloren. Selbst bei Produkten, die Partikel mit einer breiten Korngrößenverteilung enthalten dürfen, führt zu langes Mahlen zumindest zu unnötig aufgewendeter Energie. Außerdem ist das stichprobenartige Vorgehen zeitaufwendig und teuer.

Forschungsinstitute und Anbieter von Mess- und Analysentechnik suchen deshalb Wege, um die Partikelgrößenverteilung in laufenden Prozessen zu messen, also inline. So bieten Parsum und Alexanderwerk für die Messung der Partikelgröße von kontinuierlich produziertem Granulat in Walzenpressen eine Inline-Lösung an, die in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Hamburg (TUHH) entwickelt wurde. Auch von Herstellern wie Microtrac und PS Prozesstechnik gibt es Analysesysteme für die Online-Messung von Partikelgröße und -form.

Eine Sonde aus Metall mit integriertem Laser für die Messung der Partikelgrößenverteilung Durch dynamische Lichtstreuung mittels Laser kann die Partikelgrößenverteilung im Mahlprozess gemessen werden.

Inline-Messung der Partikelgröße von Nanopartikeln

Immer noch eine Herausforderung für die Online- oder Inline-Messung im laufenden Mahlprozess stellen jedoch Nanopartikel dar. Inhaltsstoffe dieser Größe, die typischerweise bei 1 bis 100 Nanometern liegt, kommen in immer mehr Produkten zum Einsatz, da sie gegenüber größeren Partikeln oftmals viele Vorteile bieten. Ein europäisches Forschungsprojekt hat vor diesem Hintergrund nach Wegen gesucht, die Partikelgrößenverteilung von Nanopartikeln in laufenden Mahlprozessen zu messen.

PAT4Nano (Process Analytical Technology Tools for Realtime Physical and Chemical Characterization of Nanosuspensions) heißt das Konsortium aus Industrie und Forschung, das in den vergangenen vier Jahren praktikable Ansätze für Inline-Messungen von kleinsten Inhaltsstoffen erforscht hat. Beteiligt waren die produzierenden Unternehmen Janssen Pharmaceutica, Agfa-Gevaert und Johnson Matthey. Sie decken die Bereiche Pharmazeutika, Tinten und Pigmente sowie Materialien für Katalyse, Batterien und Glasherstellung ab. Malvern und In-Process-LSP waren als Technologieanbieter beteiligt. Die Forschung trieben mehrere Institute voran: Die Universität Limerick, die Niederländische Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO), das Nanoscale Biophotonics Laboratory (NBL) aus Irland sowie das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (Fraunhofer ILT) aus Deutschland.

In-Process-LSP hat im Rahmen des Forschungsvorhabens die Entwicklung eines PAT-Instruments für die Inline- und Online-Analyse von Nanopartikeln entwickelt, das ortsaufgelöste optische Technologie mit dynamischer Lichtstreuung kombiniert. Das Fraunhofer ILT hat einen anderen Ansatz verfolgt: Das Forschungsteam hat eine neuartige laserbasierte Technologie zur Partikelanalyse entwickelt. „Wir haben unser Verfahren auf Basis der dynamischen Lichtstreuung (Dynamical Light Scattering) entwickelt“, erklärt Dr. Christoph Janzen, der am Fraunhofer ILT im Bereich Bioanalytik forscht. Das Messprinzip basiert auf der sogenannten brownschen Molekularbewegung: Im flüssigen Medium sind die suspendierten Nanopartikel angeregt durch Kollisionen mit Molekülen des Lösemittels in ständiger Bewegung. Je kleiner die Partikel, desto schneller findet diese Bewegung statt. Hier setzt das Lasermessverfahren an: „Wir fokussieren einen Laser in die Lösung und analysieren das Streulicht beziehungsweise dessen temporäre Fluktuation“, sagt Janzen. Aus der Fluktuation lasse sich mithilfe mathematischer Verfahren die Teilchengröße ableiten. Letztlich sei es so möglich, den Moment im Verlauf des Mahlprozesses zu bestimmen, wenn die gewünschte Partikelgröße erreicht ist.

Ein Flügelrad aus Metall mit drei Flügeln zur Analyse von Probenflüssigkeit Für die Inline-Messung wurde eine Sonde mit Flügelrad entwickelt, in der Probenflüssigkeit im laufenden Prozess abgekoppelt wird.

Sondenkopf mit Flügelrad und Laser-Messtechnik

Außer dem geeigneten Verfahren war allerdings auch die Entwicklung eines Instruments erforderlich, das im laufenden Prozess eingesetzt werden kann. Die Inline-Messung kann nicht direkt im Inneren der Kugelmühle erfolgen, weil eine ungestörte Diffusion nötig ist, um mittels der dynamischen Lichtstreuung die Partikelgrößen zu bestimmen. Da Mahlgut in einer laufenden Kugelmühle kontinuierlich durchmischt wird, diffundieren die Partikel nicht frei im flüssigen Medium. Probennahmen mit einer Küvette würden hingegen nicht den Anspruch der kontinuierlichen Prozessüberwachung erfüllen.

Konstruiert wurde deshalb eine Tauchsonde, die sich mit einem rotierenden Flügelrad in einem Gehäuse befindet. Das Rad befördert zwischen seinen Flügeln einen Teil der Probenflüssigkeit. Beim Stopp sind die Zwischenräume geschlossen und von der Strömung abgekoppelt. So können die Partikel im Gehäuse frei diffundieren, was eine ungestörte Messung ermöglicht. Dafür wird ein integrierter Laser in die Lösung der Messkammer fokussiert. Anschließend läuft das Flügelrad wieder an, die untersuchte Probenflüssigkeit wird ausgetauscht und eine neue Probenahme kann erfolgen. „Das Verfahren hat den Vorteil, dass die Messungen unter denselben Bedingungen erfolgen, die im Mahlprozess herrschen“, erläutert Janzen vom Fraunhofer ILT.

Herausforderungen bereitet den beteiligten Projektpartnern noch, dass die Partikelkonzentration in der Tauchsonde sich von derjenigen in der Kugelmühle unterscheidet. Mittels 3D-Kreuzkorrelation sollen deshalb zwei DLS-Messungen am selben Ort durchgeführt werden, wodurch sich fluktuierende Signalintensitäten miteinander abgleichen lassen. Auch wenn dieser Ansatz sehr komplex sei, ist Janzen optimistisch: „Noch ist das Verfahren nicht robust genug, aber die Ergebnisse mit dem hochpräzisen SLE-gefertigten Halter sind vielversprechend“, sagt der Forscher. Mit Anwendern und Messgeräteherstellern soll das Verfahren deshalb weiterverfolgt werden – bis zur Serienreife.

Autor

Marius Schaub

Marius Schaub