Die Geschichte des industriellen Explosionsschutzes ist vor allem eine Geschichte der Katastrophen. Dass von brennbaren Gasen und Stäuben Gefahren ausgehen, war aus dem Bergbau bekannt – doch der „Urknall“ in der industriellen Produktion war wahrscheinlich 1878 in den USA: Am 2. Mai 1878 ereignete sich in Minneapolis die erste dokumentierte Staubexplosion mit verheerenden Folgen. Die Washburn A-Mühle, damals die größte Getreidemühle der Welt, wurde durch eine gewaltige Mehlstaubexplosion vollständig zerstört. Ursache war aufgewirbelter Staub, der vermutlich durch einen Funken oder eine überhitzte Maschine entzündet wurde. Die Explosion tötete 18 Menschen und zerstörte mehrere benachbarte Mühlen. Als Folge wurden erstmals technische Maßnahmen gegen Staubexplosionen eingeführt: Entstaubungsanlagen, regelmäßige Reinigung und Funkenvermeidung. Diese Katastrophe gilt als Ausgangspunkt des systematischen Staubexplosionsschutzes.
Noch deutlich gravierender war allerdings das Courrières-Grubenunglück, das sich drei Jahrzehnte später im Jahr 1906 im französischen Kohlebergwerk Courrières ereignete: Grubengas und Kohlenstaub führten zu einer Explosion, die das Leben von über 1.000 Bergleuten forderte. Schlechte Belüftung, mangelhafte Staubbindung und veraltete Technik begünstigten das Unglück. Die Katastrophe löste eine Welle von Reformen im europäischen Bergbau aus: In der Folge wurden Methansensoren, verbesserte Belüftungsanlagen und staubreduzierende Maßnahmen eingeführt. Die Grube Courrières machte auf drastische Weise deutlich, wie gefährlich Staub- und Gasgemische in geschlossenen Systemen sein können – ein zentrales Thema des modernen Explosionsschutzes.
Bei der Boston-Melassekatastrophe (1919, USA) handelte es sich nicht um eine klassische Explosion, aber das Unglück von Boston offenbarte fatale Sicherheitslücken in der Konstruktion industrieller Lagertanks. Ein schlecht gebauter und gewarteter Melasse-Tank der Purity Distilling Company barst plötzlich und setzte eine Flut von etwa 8,7 Millionen Litern heißer, zähflüssiger Melasse frei. Die rund 4,5 Meter hohe Welle ergoss sich mit geschätzten 55 km/h durch die umliegenden Straßen. Die Folge: 21 Menschen ertranken oder wurden von Trümmern erschlagen, Häuser wurden weggeschwemmt, Straßen zerstört. Das Ereignis triggerte eine der ersten Sammelklagen gegen Unternehmen und führte zur Einführung von statischen Berechnungen, Materialprüfungen und verpflichtenden Sicherheitskontrollen für große Industriebehälter. Ein frühes Beispiel für technische Prävention durch bauliche Sicherheit.